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Das Magazin "Dialog" hat eine neue Serie "Sterben aus Sicht der Religionen" gestartet. 

Damit beleuchtet es die Begleitung Sterbender im Spiegel der großen Weltreligionen, also des Christen- und Judentums, des Islam, Buddhismus und Hinduismus. Es wird auch die atheistische Position darstellen. In unserer ersten Folge fragen wir beim Zentralrat der Muslime in Deutschland nach der islamischen Sichtweise. 

„Muslime lehnen aktive Sterbehilfe ab“

Welche islamischen Standpunkte und Rituale gilt es auch hierzulande in der Hospizarbeit zu berücksichtigen? Der Dürener Arzt Dr. Zouhair Halabi hat für den Zentralrat der Muslime in Deutschland die entsprechende Handreichung verfasst. Darin macht Halabi erst einmal klar, dass der Zentralrat „eine direkte aktive Sterbehilfe für den unheilbaren Schwerstkranken“, ablehnt, und zwar sowohl für die selbst bestimmenden Sterbenden als auch auf Verlangen eines Dritten, von Ärzten oder Angehörigen („Tötung auf Wunsch“). In der Sterbebegleitung und der Palliativmedizin sehe man eine gute und menschliche Alternative zur aktiven Sterbehilfe. „Wir fordern und begrüßen deswegen die Weiterentwicklung und flächendeckende Verbreitung der Palliativmedizin und Palliative Care.“ Auch die Selbsttötung und die ärztliche Beihilfe zum Suizid werde abgelehnt. 

Bei schwerst-unheilbarer Krankheit und bei schweren, unerträglichen Symptomen dürfe die Ärzteschaft jedoch Arzneimittel wie Opioide und Sedierungsmittel auch in hoher Dosierung zur Linderung der Beschwerden einsetzen. Dabei dürfe auch eine mögliche Beschleunigung des Todeseintritts als Nebenwirkung in Kauf genommen werden. Aus islamischer Sicht sei es bei unheilbar Kranken auch statthaft, die Behandlungsmaßnahmen zu reduzieren oder zu unterlassen. Das betreffe also die sogenannte passive Sterbehilfe oder besser: das „Sterbenlassen“.

„Sterbebegleitung ist muslimische Pflicht“

„Die Sterbebegleitung bzw. die Seelsorge und die damit zusammenhängenden Rituale sind eine vorgeschriebene Pflicht in Übereinstimmung mit allen Muslimen“, antwortet Halabi auf Anfrage des Magazins „Dialog“ direkt. Allgemein werde diese Arbeit vor allem in der Familie in verschiedener Hinsicht, also physisch, psychosozial und religiös, durchgeführt. „Es gilt als selbstverständliche Pflicht und als gutes Werk, einen Schwerkranken und Sterbenden in den letzten Tagen und Stunden nicht allein zu lassen“, betont der Arzt für den Zentralrat der Muslime. Dabei gebe es keinen festgelegten Ablauf, an den man sich halten müsse. Vielmehr liegt es in der Hand der Familie, wie sie genau vorgehe. 

„Die Familie begleitet und pflegt das schwerkranke Familienmitglied von Beginn an und hilft insbesondere beim Ausführen von islamischen Sitten und Gottesdiensten“, führt Zouhair Halabi weiter aus. Darunter fielen z. B. die rituelle Waschung, das Gebet, Bittgebete oder der Besuch einer Moschee. Neben der Ausführung islamischen Handlungen helfe die Familie selbstverständlich auch bei der Ernährung, der medizinischen Behandlung und Pflege. Sie achte also beispielsweise auf Halal- Medikamente und die Verpflegung im Krankenhaus oder im Pflegeheim. Und sie helfe auch bei der körperlichen Pflege.

Oft werden die Körper mit duftenden Ölen gepflegt

„In den letzten Tagen und Stunden wird der Betroffene auf den Tod vorbereitet, um ihm die Angst zu nehmen“, beschreibt der Vertreter des Zentralrats der Muslime dem Magazin „Dialog“ die gewünschte Sterbebegleitung für Muslime. So würden gemeinsam Bittgebete gesprochen, etwa auch das Glaubensbekenntnis. Es werde leise aus dem Koran (Quran) vorgelesen oder die Rezitation durch Disease-Management-Programme (DMP), also strukturierte Behandlungsprogramme für Erkrankte, übertragen. Oft werde der Körper mit duftigen Ölen gepflegt, berichtet der Arzt. „Wenn möglich legt man die Person mit dem Gesicht in Richtung Süd-Ost, also in Richtung Mekka.“ 

Außerdem sollten kurz davor alle persönlichen Angelegenheiten geregelt werden: etwa das Testament, die Patientenverfügung, die Bestellung der Leichentücher sowie der die Wahl des Duftes für die rituelle Waschung nach dem Tod, also z.B. Parfüm oder Gewürz. „Nach dem Tod werden die Augen zugeschlossen. Der Verstorbene wird entkleidet, und es werden Schmuck und Ähnliches entnommen“, erläutert Zouhair Halabi. Nach der rituellen Waschung werde der Körper mit geeigneten Leichentüchern eingewickelt und somit auf das Todesgebet und die Beerdigung vorbereitet. 

Auch Muslime können Unterstützung von außen suchen

Im Hinblick auf die Vorbereitung islamischer Rituale hole sich die Familie oft Rat und Unterstützung von einem Imam oder ihrer muslimischen Gemeinde. „All diese religiös rituellen Maßnahmen sollten möglichst von der Familie oder der muslimischen Gemeinde übernommen werden“, erklärt der Vertreter des Zentralrats der Muslime dem Magazin „Dialog“. In Ausnahmesituationen und als ultimo Ratio dürfe all das auch von Nichtmuslimen durchgeführt werden. „Aus islamischer Sicht spricht nichts dagegen, dass man für die betroffene Person sowie aber auch für die Familie professionelle Unterstützung sucht, etwa von einer ärztlichen, sozialen oder psychischen Stelle oder sonstigen Pflegediensten“, fügt der Arzt noch hinzu. 

Obwohl jeder Muslim daran fest glaube, dass er sterben müsse und der Sterbeprozess Bestandteil des Lebens sei, müsse er sein Leben ernsthaft schützen, schreibt Zouhair Halabi in seiner Handreichung für den Zentralrat der Muslime in Deutschland. Jeder Gläubige müsse seine Gesundheit pflegen und bewahren. Und wenn er krank werde, solle er die mögliche und die erforderliche Behandlung suchen, soweit ihm eine kurative Therapie zur Verfügung stehe. „Beischwerem Schicksal und bitterem Leiden wie einer schwere unheilbaren Krankheit sollte er standhaft und geduldig bleiben und sein Vertrauen und seine Dankbarkeit Gott gegenüber beibehalten“, fügt Halabi hinzu. 

Kontakt zum ZMD.: www.zentralrat.de

Text:  Ebba Hagenberg-Miliu

Foto: Ebba Hagenberg-Miliu

Das Magazin "Dialog" des Hospizvereins Bonn ist online hier zu lesen: https://www.hospizverein-bonn.de/seminare-kurse-termine/dialog.html

Redaktion: Ebba Hagenberg-Miliu

 

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