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Interview mit Rainer Pause und Norbert Alich

Sterben und Tod: Können das überhaupt Themen im Kabarett sein?

Rainer Pause: Natürlich! Müssen sogar, denn im Kabarett geht es, wie immer im Theater, um ein überspitztes Abbild unseres Lebens, und der Tod gehört zum Leben dazu. Wir werden ständig damit konfrontiert. Mit den unfassbaren Versuchen, unser Leben zu verkürzen: durch Kriege, Völkermorde, Missbrauch unserer Natur. Aber auch mit verzweifelten Selbsttötungen. Man muss sich nur die Nachrichten ansehen. Von Krankheiten und den Folgen der Politik ganz zu schweigen. Genug für mich, um darüber zwei Programme zu schreiben: „Das letzte Gericht" und „Tod im Rheinland", das eine für die Kabarettbühne, das andere für Kirchen, Bestattungshäuser und Hospize. 

Norbert Alich: Meinen Beitrag zu einem Hospiztag habe ich mal übertitelt mit „Leben ist auch nicht einfach”. Der Tod ist das wohl demokratischste Moment menschlichen Lebens, da mündet jeder Lebensweg für Arm oder Reich. Da wir Zwei ja schon seit zirka 40 Jahren alte Männer spielen, ist es für uns immer selbstverständlich gewesen, dieses Thema anzugehen. 

Pause: Nun ja, so ganz demokratisch ist der Tod nicht gerade: Wir müssen zwar alle sterben, aber wie wir sterben, da gibt es große Unterschiede. Viele sterben einsam und voller Schmerz. Davor hat doch jeder Angst. Mehr als vor dem Leben danach.  Deshalb ist die Arbeit der Hospize so unschätzbar wertvoll.

 

Und wie reagiert das Publikum, wenn Fritz und Hermann auf der Bühne auch über diese Themen streiten?

Pause: Die Zuschauer freuen sich - und sind nicht zuletzt froh, dass es in diesem Moment nicht um ihren eigenen Tod geht.

Alich: Ja, man lacht, eventuell mehr als an anderen Stellen. Denn jeder im Publikum hat wahrscheinlich schon in gemütlichen Runden mit begleitenden Getränken Witze über seine künftige Beerdigung gemacht. Wenn Fritz darüber spekuliert, ob seine Knochen dereinst in einem Museum ausgestellt sein könnten, kontert Hermann mit dem Satz: „Dann darfst Du Dich nicht verbrennen lassen!“ 

 

Herr Pause, Sie haben speziell den „Tod im Rheinland“ unter die Lupe genommen. Ist der anders als anderswo?

Pause: Oh ja, denn in Mexiko wird alljährlich die Gemeinschaft der Lebenden und der Toten begangen und auf den Gräbern der Angehörigen gegessen, getrunken und gefeiert, und nicht wie bei uns an Allerheiligen nur ein flackerndes rotes Licht aufs Grab gestellt. Ein wunderbares Vorbild. Denn das ist doch auch die Angst vieler Menschen, nach dem Tode in Vergessenheit zu geraten!

 

In Ihrem Programm liegen Sie sogar Probe im Sarg – ein Tabubruch?

Pause: Natürlich ist es irritierend, wenn man in der Zeitung liest: „Probeliegen im Sarg, in ausverkauftem Krematorium!"  Und tatsächlich geht ein leichtes Stöhnen durchs Publikum, wenn ich mich da reinlege. Aber umso stärker ist das erleichternde Lachen, wenn ich, zunächst selbst entsetzt von meinem Mut, da reinzusteigen, zum anwesenden Bestatter sage: „Och, ist eigentlich ganz gemütlich - aber könnte ich bitte noch ein zweites Kissen haben?!" - Tatsächlich hat es eine ältere Dame ermutigt, nach der Veranstaltung selbst einmal im Sarg Probe zu liegen, weil sie oft nicht schlafen konnte, aus Angst, ihr Sarg könnte zu klein sein!

 

Herr Alich, Sie sind auch schon bei einem Godesberger Hospiztag aufgetreten. Warum haben Sie sich für den Hospizverein Bonn engagiert?

Alich: Der katholische Geistliche vom Waldkrankenhaus und eine dort arbeitende befreundete Ärztin hatten mich dazu eingeladen. Ich kannte durch das Sterben von Verwandten und Freunden die Hospizszene und habe dabei gelernt, wie friedlich, wie lebensnah das Sterben in einem Hospiz sein kann. Ich kann mir durchaus vorstellen, meine letzten Tage dort zu verbringen.

 

Und wie schaffen Sie bei einem solchen Publikum den Balanceakt zwischen Trauer und Schmerz?

Alich: Oft habe ich bei Beerdigungen erlebt, wie sich die Stimmung bei Kaffee und Streuselkuchen dreht, wie man mit witzigen Geschichten an das Leben mit dem Verstorbenen zurückdenkt. Als Messdiener bin ich mit dem Kreuz in der Hand bei einer regnerischen Beerdigung am lehmigen Grabrand auf den Sarg gerutscht – sogar die trauernde Witwe konnte sich ein lautes Lachen nicht verkneifen. Das Thema Tod bietet viele komische Seiten, das Sterben – zugegeben – weniger. Man sollte sich aber dringend bemühen, selbst hierbei den Humor nicht zu verlieren. Das fällt - meiner Erfahrung nach - den Angehörigen schwerer als den Sterbenden.

 

Was meinen Sie, was kann (Kabarett-)Kunst also auch für die Sterbebegleitung und Trauer leisten?

Pause: Mut zu geben, den Toten zu berühren, ihn im wahrsten Sinne des Wortes zu begreifen. Den Tod nicht zu verdrängen, sondern sich mit ihm vertraut machen. Aber vor allem Trost zu spenden! 

Alich: Mit den Gedanken um Sterben und Tod zu spielen, kann Trauer erträglicher machen. Ähnlich wie religiöse Rituale das seit Menschengedenken tun.

 

Zur Person:

Seit 1984 machen Rainer Pause, 73, und Norbert Alich, 65, in der alternativen Karnevalssitzung Pink Punk Pantheon das jecke Bonn unsicher. Seit 1990 sind beide als sich ewig streitendes Duo „Fritz & Hermann“ auch außerhalb der „fünften Saison“ nicht mehr von den angesagten Kabarettbühnen und aus den entsprechenden TV-Sendungen wegzudenken. Beide waren zum Germanistikstudium nach Bonn gekommen. 1987 gründete der Schauspieler und Regisseur Pause hier sein legendäres Pantheon-Theater, zu dem der Schauspieler und Sänger Alich bald hinzustieß. Beide stehen auch mit Soloprogrammen auf der Bühne.  

 

Interview: Ebba Hagenberg-Miliu

Foto: Pantheon Bonn

 

Das Interview erschien in der Ausgabe 2/2020 des Magazins "Dialog" des Hospizvereins Bonn. 

Online ist es hier zu finden: https://www.hospizverein-bonn.de/seminare-kurse-termine/dialog.html

 Redaktion: Ebba Hagenberg-Miliu

 

 

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