Was Mareike Hartig und Tina Müller den neuen Hospizbegleitern mit auf den Weg gaben
Mareike Hartig und Tina Müller, die beiden Koordinatorinnen des Hospizvereins Bonn, beauftragten die frischgebackenen Hospizhelfer bei der Feier am 2. April 2022 in der Vereinszentrale mit folgender Rede:
„Wir freuen uns sehr, dass wir nach sieben Monaten gemeinsamer Kurs- und Vorbereitungszeit hier und heute Eure Beauftragung zu ehrenamtlichen Hospizbegleiterinnen und -begleitern feiern können.
Zwei Dinge haben wir Euch mitgebracht, die für uns symbolisch dafür stehen, wie wir Euch als Gruppe und die Zusammenarbeit mit Euch in den vergangenen Monaten erlebt haben und was diese Zeit geprägt hat. Da ist zum einen diese Karte. Ihr kennt sie alle. Sie war oft begehrtes Motiv in unseren Einstiegsrunden: zwei Heißluftballons, die über ein Erntefeld schweben. Das andere ist das Motto aus Tinas Mund: „Scheiter heiter“. Anfangs noch mit einer gewissen Verwunderung und vielleicht Belustigung aufgenommen, hat es doch im Laufe der Zeit seine Wirkkraft entfaltet.
TINA: Scheiter heiter – ja genau, anfangs habt Ihr mich noch etwas irritiert angeguckt, aber es war mir persönlich total wichtig, Euch diese wichtigen zwei Worte mit auf den hospizlichen Weg zu geben. Es bedeutet nämlich, dass wir alle Fehler machen dürfen. Dass wir welche machen, ist sowieso klar. Wer keine macht, ist mir unheimlich, aber darum soll`s jetzt gar nicht gehen. Wichtig ist, dass wir uns für unsere Fehler selber nicht zu hart ins Gericht nehmen… Wir sollten unsere Fehler erkennen, sie reflektieren, annehmen und dann das Beste draus machen. Meist lernen wir gerade daraus so viel mehr als in der nackten Theorie. Also bitte unbedingt weiterhin beherzigen: Scheiter heiter!
MAREIKE: Ballonfahrt: Damit man mit einem Heißluftballon auf die Reise gehen kann, braucht man gutes Wetter und die richtigen Windverhältnisse. Wenn man in den Korb einsteigt, kennt man grob die Richtung der Reise. Aber wo genau es lang gehen wird, welche Landschaften man zu sehen bekommt und wie das, was man aus der erdgebundenen Sicht kennt, aus der neuen Perspektive wirkt. Das ist neu, das ist eine Überraschung.
Ich denke, so war auch unsere Kurszeit. Ihr alle hattet eine Ballonfahrt gebucht. Die grobe Richtung - Hospizbegleitung - war klar. Vieles andere aber war mehr oder weniger offen: Mit wem werde ich gemeinsam im Ballonkorb sitzen? Wird ein guter Wind wehen? Und reicht der aus, um das Ziel zu erreichen? Wie wird es mir da oben in der Höhe gehen – gut oder doch mal mit Höhenangst? Und die Landschaften – na mal sehen?!
Guter Mut, Offenheit, Neugier und Umsicht: Unter anderem mit diesen Voraussetzungen seid Ihr letzten September in den Ballon eingestiegen, habt euch untereinander und uns kennengelernt. Gemessenen Schrittes habt Ihr das getan. So kamen alle gut mit, und gegenseitiges Vertrauen entstand.
Im Ballonkorb herrschte mit Euch immer eine gute, konzentrierte und engagierte Arbeitsatmosphäre. Eine Lebendigkeit zwischen Ernsthaftigkeit und Humor. Es wehte ein guter Wind, und ein schwebender Ballon vermittelt auch ein Gefühl von Leichtigkeit. Tina und ich waren immer wieder beeindruckt, mit welch umfassenden Ergebnissen Ihr zum Beispiel aus Gruppenarbeiten zurück ins Plenum kamt. Sie sprachen von viel (Lebens-)Erfahrung, Empathie und „Sich-in-die-Situation-des anderen-hineindenken-Können“.
Ihr habt es auch immer wieder gewagt, über den Rand des Ballonkorbs in die Tiefe zu blicken, hinunter zu Krankheit, Sterben, Tod und Trauer und was damit einhergeht. Manches Thema, manche Selbsterfahrungsübung hat eine tiefgreifende Wirkung entfaltet, Inneres in Bewegung versetzt und Perspektiven verschoben. Aus dem Korb gefallen ist dabei niemand von Euch – ich denke, weil jede/r gut auf sich geachtet und die Gruppe alle getragen hat. Mit viel Offenheit und Ehrlichkeit habt Ihr Euer Erleben und Handeln reflektiert.
Ab Beginn dieses Jahres ging es dann nochmal in höhere Luftschichten hinauf – ab ins Praktikum im Johanniter-Hospiz. Vielleicht war das ein bisschen wie ein Gleitschirmsprung aus dem Ballonkorb hinaus – immer noch Fliegen, aber auf andere Art. Unmittelbar und direkt. Es ist euch allen gut und schnell gelungen, Begleiter für die Hospizgäste zu sein, ihre Bedürfnisse und Wünsche, Sorgen und Nöte wahrzunehmen und darauf respektvoll und hilfreich einzugehen und auch ihre (Lebens-) Freude zu teilen. Wenn mal etwas nicht so gut gelang, half vielleicht der Gedanke an „scheiter heiter“, um in der nächsten Woche wieder positiv gestimmt ins Hospiz zu gehen.
Und auch das Ausprobieren gehörte zu dieser Phase: Wie weit kann ich mit dem Gleitschirm meine Kreise ziehen, ohne dabei versehentlich ins Trudeln zu geraten? Für mich war es ein Privileg, manche von Euch beim Einsatz im Hospiz direkt erleben zu dürfen. Einmal habe ich zu Tina gesagt, dass ich mich – verzeiht mir den Vergleich - ein bisschen wie eine Glucke fühle, die erleben darf, wie die Küken loslaufen.
TINA: Oh ja, dem kann ich mir nur anschließen. Ihr seid ja nun mein erster Kurs, den ich von Anfang bis zum Ende begleiten durfte. Und am ersten Abend war ich vermutlich aufgeregter und gespannter als Ihr alle zusammen. Ich muss Euch wirklich meinen persönlichen Dank aussprechen, dass ich mit und von Euch lernen durfte. Und wenn ich schon mal so aus dem Nähkästchen plaudern darf, war es für Mareike und mich immer auch ein großes Geschenk, Eure Rückmeldungen zu bekommen.
Ihr seid zwölf völlig unterschiedliche Menschen, und es passierte uns während der letzten Monate häufiger, dass wir bei Begleitanfragen, auf der Suche nach passenden Ehrenamtlichen, völlig übereinstimmend sagten: Die Begleitung wäre bestimmt was für den Einen von Euch. Oder diese Familie, die könnten bestimmt prima von einer anderen begleitet werden. Das sind jetzt nur Beispiele, soll heißen: „Wir freuen uns, dass wir mit Euch zwölf neue tolle Ehrenamtliche in unserem Team haben, die alle ihren Platz finden werden.
Heute landet der Heißluftballon. Die Vorbereitungszeit ist zu Ende, und ihr startet ins Ehrenamt in unserem Hospizdienst. Am ersten Kursabend hatten wir jedem/ jeder von Euch einen Rucksack überreicht mit der Einladung, symbolisch darin die Dinge zu sammeln, die Euch für die Hospizbegleitung wichtig sind. Auch zu schauen, was Ihr schon alles an Hilfreichem darin mitbringt. Und vielleicht auch, alten Ballast abzuwerfen. Eure Rucksäcke habt Ihr in den vergangenen Monaten gut gefüllt, um schwerstkranken und sterbenden Menschen in ihrer letzten Lebensphase, am Lebensende begleitend zur Seite stehen zu können – wir sind ja, wie auf der Karte, schließlich auf einem Erntefeld gelandet. Ihr werdet uns gleich jeweils einen kleinen Einblick in euren Rucksack gewähren.
Wir blicken sehr erfüllt und dankbar zurück auf die gemeinsame Kurszeit mit Euch – es war toll. Wir wünschen Euch von Herzen alles Gute für Euer Ehrenamt und freuen uns auf Euer Wirken hier im Kreis unserer Hospizbegleiter.“
Foto: Ian Umlauff