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Interview mit Pater Dr. Hans Langendörfer. In: Dialog. Magazin des Hospizvereins Bonn, 1/2023.

Frage: Ein hochaktuelles Thema: Was gehört in Ihren Augen unbedingt zum Sterben in Würde? Pater Dr. Hans Langendörfer: In der Regel sind es ja Dritte und nicht der sterbende Mensch selbst, die zu einem würdevollen Weggehen aus dieser Welt beitragen können. Das betrifft die medizinische Versorgung und den Respekt vor der einzelnen Person, Worte und Gesten der Nähe, Erinnerungen aller Art an das Leben, das zu verlöschen begonnen hat, und ehrlichen Trost. Immer so, wie es konkret möglich ist und wie Sterbende es annehmen können. In Bezug auf den Sterbenden selbst sprach man früher von der „Kunst zu sterben“ („ars moriendi“). Sie betrifft vor allem, aber nicht nur eine frühe Phase der Begegnung mit dem Sterben. Frage: Seit 2020 verbietet der Gesetzgeber Sterbehilfe nicht mehr. Wie bewerten Sie das? Pater Langendörfer: Ich teile den Standpunkt derer, die in Abwägung vieler Aspekte (nicht zuletzt der wirklich schutzwürdigen Entscheidungsfreiheit, aber auch des Schutzes sterbender Menschen, die unter einen negativen Entscheidungsdruck geraten können – ich denke jetzt nicht an den Suizid in anderen Situationen –) ein Verbot der Hilfe zur Selbsttötung ethisch für angemessener halten. Man sollte Menschen, die Suizidwünsche entwickeln, vor allem Lebensperspektiven eröffnen, zu denen ja auch die Palliativversorgung und die Hospizarbeit zählen. Aber die rechtliche Situation ist anders. Die Autonomie gilt als vorrangiges Gut, allerdings nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts auch als ein Gut, das in Anbetracht der möglicherweise labilen Situation von Sterbenden schutzbedürftig ist. Jetzt ist eine gute gesetzliche Umsetzung der Rechtslage erforderlich, vor allem im Hinblick auf die gewerbsmäßige Suizidhilfe. Die christlichen Kirchen beteiligen sich daran. Frage: Für welche Institutionen stehen Sie mit dieser Position? Pater Langendörfer: Zunächst einmal für die katholische Kirche und ihre Caritas, aber gewiss auch für manche weitere. Wir bringen in Bezug auf die Gesetzgebung ins Gespräch, ob es nicht (weil ja eine Beihilfe zur Selbsttötung freiwillig ist und keiner zur Suizidassistenz gezwungen werden darf) möglich sein sollte, solche Freiheit auch institutionell zu garantieren und Einrichtungen die Möglichkeit zu eröffnen, dass in ihnen auch Dritte nicht als Sterbehelfer wirken dürfen. Solche Einrichtungen wären dann eine Art Schutzraum, in dem seitens der Einrichtung die Selbsttötung nicht thematisiert wird. Frage: Der Gesetzgeber muss aktuell die Sterbehilfe neu regeln. Welche Eckpunkte für Institutionen gehören da hinein? Pater Langendörfer: Zunächst einmal halte ich es für notwendig, dass diese Frage überhaupt geregelt wird. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil Regelungen nicht vorgeschrieben, doch wären ohne sie die Auswirkungen des Urteils zu unwägbar. Dabei sollte der Gesetzgeber generell darauf hinwirken, dass der assistierte Suizid nicht zu einer „normalen“ Form des Sterbens wird. Konkret gibt es bei der Regelung mindestens drei relevante Kernpunkte: Der erste ist, bestmöglich sicherzustellen, dass der Wille zur Selbsttötung wirklich freiverantwortlich ist: unter der Beteiligung fachlicher Expertinnen und Experten, beispielsweise von Fachärztinnen und -ärzten oder Psychologinnen und Psychologen. Ferner braucht es eine Beratungspflicht, die möglichst im bestehenden, regulären Beratungssystem verbleiben sollte. Dann kann sie leichter ergebnisoffen und umfassend erfolgen und von allen Menschen in Anspruch genommen werden. Schließlich sollte, wie schon gesagt, das Gesetz die Möglichkeit sichern, dass Einrichtungen die Duldung von Suizidassistenz ablehnen können, damit die Bewohnerinnen und Bewohner dieser Beihilfe nicht ausgesetzt werden – und auch nicht möglichen Angeboten für sie. Frage: Und welche gesetzliche Hilfe braucht der einzelne Hospizbegleiter? Pater Langendörfer: Die Begleitung schwerkranker und sterbender Menschen ist eine sehr sensible Aufgabe, die Kenntnisse, Zeit, Sorgfalt und Empathie erfordert. Damit Menschen das leisten können, braucht es gute Rahmenbedingungen wie Möglichkeiten zur Weiterbildung, Supervision und Ethikberatung, aber natürlich auch eine ausreichende Finanzierung. Auch die Möglichkeiten von Patientinnen und Patienten und ihrer pflegenden Angehörigen sollten weiter verbessert werden. Zum Beispiel durch einen Anspruch auf palliatives Fallmanagement oder die Verbesserung der rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen für die Begleitung und Pflege durch Angehörige. Zudem braucht es mehr Wissen um die Möglichkeiten der Hospiz- und Palliativversorgung. Frage: Sie wünschen sich eine stärkere Vernetzung zum Thema? Pater Langendörfer: Vernetzung ist in dieser Frage wichtig, da das Thema die gesamte Gesellschaft und jeden betreffen kann. Vernetzung hilft einerseits, voneinander zu lernen und Eigenes weiterzuentwickeln. Und andererseits, um das gemeinsame Anliegen voranzutreiben, Orte zu schaffen, in denen Menschen ihre Sorgen und Nöte, auch ihre Suizidgedanken und die Angst vor Schmerzen, dem Sterben und Tod sicher äußern können und Gehör, Anteilnahme und Beistand finden. Allerdings sollen Menschen nicht Angeboten oder Beeinflussungen hinsichtlich der Sterbehilfe ausgesetzt werden, wenn sie dies nicht wünschen. Die Bischöfe, die Caritas, die Malteser, die großen katholischen Träger beispielsweise aus dem Ordensbereich, viele andere Träger von Einrichtungen und viele Engagierte sind nach meiner Wahrnehmung bereits in gutem Austausch miteinander, auch über die Grenzen Deutschlands hinaus. Was vielleicht noch besser werden könnte, ist die direkte Vernetzung außerhalb der eigenen Sphäre. Bemerkenswerte Positionen haben auch Verbände für Hospiz- und Palliativversorgung, Suizidprävention oder Mediziner eingenommen, in denen es teils erhebliche Übereinstimmungen mit unserer Position gibt. Zur Person: Pater Dr. Hans Langendörfer SJ, Jahrgang 1951, trat 1972 in den Jesuitenorden ein. Er studierte Philosophie, Politik und Theologie, promovierte über Friedensethik und arbeitete als Wissenschaftlicher Berater im Bundeskanzleramt. Von 1996 bis 2021 war er Generalsekretär der Deutschen Bischofskonferenz sowie Geschäftsführer des Verbands der Diözesen Deutschlands. Seither ist er u.a. Präsident des Katholischen Akademischen Ausländer-Dienstes. Foto: privat Nachzulesen in der aktuellen Ausgabe 1/2023 des „Dialogs“ des Hospizvereins Bonn. Hier ist das Magazin online zu lesen: https://www.hospizverein-bonn.de/seminare-kurse-termine/dialog.html

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